Eingliederungshilfe zur Wahrnehmung einer angemessenen Schulbildung wird in Form einer Person, einer sogenannten Integrationskraft, für pflegerische und betreuende Tätigkeiten gewährt. Sie wird für die Allgemeine Schule und für die Förderschule genehmigt. Auch Kinder mit Behinderung, die keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, haben ein Recht auf Eingliederungshilfe!
SGB IX § 112: Personen, die durch eine Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Sozialen Teilhabe.
SGB VIII § 35a, 36: Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung
Die Eingliederungshilfe leistet betreuende, pflegende und allgemeinpädagogische Hilfen, die nicht in die pädagogische Kernkompetenz des Lehrers fallen.
Zu den Aufgabenbereichen zählen demnach z.B.:
Die Eltern müssen einen formlosen Antrag bei dem für sie zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger (Sozial- oder Jugendamt) stellen.
unsere Beispielformulierungen für Anträge finden Sie hier
Leider zeigt die Erfahrung, dass über Erstanträge und Weiterbewilligungsanträge von den Leistungsträgern oft unzumutbar lange nicht entschieden wird oder diese Anträge generell abgelehnt werden.
In den Ausführungen des Sozialgesetzbuches sind die Ansprüche auf Teilhabeassistenz juristisch klar geregelt. Zur neueren Entwicklung der inklusiven Beschulung gibt es bereits eine Reihe von eindeutigen Gerichtsurteilen dazu. Doch der Kostenspardruck verleitet die Behörden zu den sonderbarsten Argumentationen. (Vgl. Kreis Offenbach.)
Gegen die Praxis einer verzögerten Bearbeitung oder bei Verweigerung der Eingliederungshilfe stehen den Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen eine Reihe von Verfahrensrechten zu. Davon sollten sie Gebrauch machen.
Nach § 14 SGB IX ist der Leistungsträger, bei dem zuerst der Antrag gestellt wurde, verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen festzustellen, ob er zuständig ist. Die Eltern können den Antrag wirksam bei jedem Leistungsträger stellen. Es ist nicht ihre Aufgabe, sich Gedanken über die richtige Zuständigkeit zu machen. Falls der Leistungsträger zur Feststellung kommt, dass er nicht zuständig ist, muss er den Antrag unverzüglich an den Leistungsträger weiterleiten, der nach seiner Auffassung zuständig sein soll.
Wenn ein Antrag gestellt ist und über diesen ohne sachlichen Grund nicht in angemessener Frist entschieden wird, dann gibt es die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage. Im § 14 SGB IX (s.o.) gibt es weitere Fristen, die nach erfolgter Zuständigkeitsklärung den Leistungsträger verpflichten, über den Antrag schnell zu entscheiden, je nachdem ob ein Gutachten eingeholt werden muss oder nicht:
Wenn der Leistungsträger selbst mitteilt, er könne die gesetzlichen Fristen nicht einhalten oder der Antragsteller eine angemessene fruchtlos bleibende Frist (im Regelfall ca. 3 Wochen) zur Erledigung unter gleichzeitiger Androhung der Selbstbeschaffung setzt, dann kann er sich die notwendigen Hilfen selbst besorgen und die Erstattung der dadurch entstehenden Kosten verlangen, § 15 SGB IX.
Bei Angelegenheiten der Sozialhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe gelten die Regelungen zur Fristsetzung zwar nicht unmittelbar, sondern es gibt ein Recht zur Selbstbeschaffung in Fällen
§ 15 Abs.1 Satz 5 i. V. m. § 15 Abs.1 Satz 4 SGB IX.
Für die Kinder- und Jugendhilfe enthält § 36 a SGB VIII eine spezielle Regelung.
Mit seiner Klage auf Gewährung einer bestimmten Leistung kann der Antragsteller eine einstweilige Anordnung nach § 86 b SGG verbinden, dies ist auch schon vor einer Klageerhebung zulässig. Die einstweilige Anordnung sollte nur mithilfe anwaltlicher Beratung und Vertretung durchgeführt werden, da die formalen Anforderungen hoch sind. (Quelle: Ass. jur. Christian Frese, Geschäftsführer autismus Deutschland e.V., Mai 2013)
Die Klagefrist für den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid beträgt einen Monat. Doch auch danach läßt sich die Frist durch einen Antrag auf Überprüfung verlängern.
Die Widerspruchsklage dauert in der Regel ca. zwei Jahre. Um während dieser Zeit dennoch sofort die nötige Unterstützung zu erhalten, kann der Anwalt eine Eilrechtschutzklage einreichen.
Ein Klageverfahren in erster Instanz kostet ca. 300,- . Die Kosten dafür trägt derjenige, der das Verfahren verliert. Das Risiko, die Klage zu verlieren, ist jedoch für die klagenden Familien recht gering (basierend auf der Erfahrung der letzten Jahre).
Die üblichen Rechtschutzversicherungen decken in der Regel NICHT Verfahren in der Sozialhilfe (zu der die Teilhabeassistenz auch gehört).
Für Geringverdiener gibt es die Möglichkeit, Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe zu beantragen.
Familien, die einen Anwalt für Sozialrecht suchen können sich wenden an:
siehe unsere Anwaltsliste
Man nennt sie auch Schulbegleitung, Schulassistenz oder Integrationshelfer*in.
Die Begleitung des Kindes in der Schule durch eine Assistenz ist eine Leistung der Eingliederungshilfe als Teilhabe an Bildung. Die Grundlage steht dafür in § 112 SGB IX oder § 35a SGB VIII.
Wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistung vorliegen, hat das Kind einen individuellen, einklagbaren Rechtsanspruch gegen den jeweiligen Eingliederungshilfeträger bzw. Rehabilitationsträger (= Reha-Träger, SGB XII oder SGB VIII). Das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen muss der Reha-Träger in jedem Einzelfall prüfen und begründet bescheiden (Verwaltungsakt).
Seit dem 1.1.2020 müssen die Sorgeberechtigten (Eltern) einen formlosen Antrag auf Hilfen zur Teilhabe an Bildung stellen,
• entweder nach § 112 SGB IX („Teilhabe und Reha“, Eingliederungshilfe) bei einer geistigen, körperlichen, Sinnes-/Mehrfachbehinderung
• oder nach § 35 a SGB VIII (Eingliederungshilfe + evtl. Jugendhilfe) bei einer seelischen Behinderung.
Ab 2028 soll es einfacher werden, dann sind alle Anträge für die Leistung für Kinder und Jugendliche nach dem SGB VIII zu stellen („Große Lösung“).
Antragstellung → Zuständigkeitsklärung → Bedarfsermittlung → Leistungsbescheid
Für die Bearbeitung des Antrags hat die Behörde Fristen zu beachten: Sie klärt innerhalb von zwei Wochen, ob sie zuständig ist. Wird der Antrag in dieser Zeit nicht weitergereicht, bleibt der Reha-Träger zuständig, bei dem der Antrag eingegangen ist. Er stellt unverzüglich und umfassend den Bedarf fest und erbringt die Leistungen. Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet er innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Für die Teilhabeassistenz nach § 35a SGB VIII ist ein fachärztliches Gutachten notwendig.
Die Bedarfsermittlung spielt eine wichtige Rolle einerseits zur Festlegung der Aufgaben, die die Teilhabeassistenz beim Kind zu erfüllen hat, andererseits zur Erfassung des Umfangs der Leistungen, die das Kind im Schulalltag benötigt.
Es gilt der individualisiertes Verständnis der Hilfe, d.h. ALLE Maßnahmen, die dem Kind den Schulbesuch überhaupt erst ermöglichen oder erleichtern, kommen infrage.
Das Verfahren zur Gesamtplanung ist in § 117 – 122 SGB IX beschrieben. Es muss u.a. transparent, interdisziplinär, konsensorientiert, individuell und zielorientiert ablaufen. Eltern dürfen eine Person ihres Vertrauens mitnehmen.
Der Gesamtplan (§ 121 SGB IX) dient zur Durchführung der einzelnen Leistungen oder einer Einzelleistung. Er dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses. Der Reha-Träger beschreibt die Handlungs- und Teilhabeziele und stellt den Sorgeberechtigten den Gesamtplan zur Verfügung.
Der Gesamtplan kann aus mehreren Einzelleistungen bestehen, nicht nur die Teilhabeassistenz sondern z.B. auch die Schulwegbegleitung, Nachmittagsbetreuung oder Therapien können hier als notwendige Hilfen mit aufgenommen werden.
„Die Hilfen schließen Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form ein … Hilfen nach Satz 1 umfassen auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hilfen nach Satz 1 umfassen auch Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind.“ (§ 112 Abs. 2 SGB IX)
§ 36 SGB VIII dient hier zunächst nur für die Eingliederungshilfe: Die zentrale Fallsteuerung liegt beim Jugendamt, dieses muss einen ganzheitlichen Blick aufs Kind und die familiäre Situation haben und evtl. auch Hilfen im Sinne der Jugendhilfe vorschlagen. Auch im Hilfeplan besprechen sich alle Beteiligten und treffen Zielvereinbarungen, um die Teilhabe an Bildung in der Schule zu gewährleisten.
Es besteht die Möglichkeit alle wichtigen Fachleute rund ums Kind einzubinden und den Hilfebedarf fürs Kind gemeinsam zu besprechen. Die Eltern können ihre Wünsche für die Teilhabeziele formulieren. Neben den Eltern als den Sorgeberechtigten fürs Kind können sich hier auch die Lehrkräfte und/oder Therapeuten äußern.
Die Teilhabeplanung muss dann vorgenommen werden, wenn mehrere leistende Kostenträger/Reha-Träger verschiedene Leistungsbereiche bewilligen. Damit soll die Leistung „wie aus einer Hand“ beim Kind erbracht werden. Das ist z.B. nötig, wenn das Kind auch noch einen besonderen medizinischen Pflegebedarf hat, für den die Krankenkasse/Pflegekasse die Kosten tragen muss.
Das Kind steht im Mittelpunkt, die Hilfe muss immer „nach der Besonderheit des Einzelfalles“ (§ 104 SGB IX) gewährt werden. Diese Personenzentrierung ergibt sich aus der Idee der UN-BRK, dass sich die speziellen Barrieren jeweils für den einzelnen Menschen mit Behinderung ausräumen lassen und nicht mehr nur eine Behinderung im medizinischen Sinne klassifizierbar ist.
Im Gesamtplan wird der Bedarf des Kindes erfasst: 1.Welche Behinderung liegt vor? 2. Mit welchen Teilhabe-Einschränkungen ist diese verbunden? Zur Bedarfsdeckung: 3. Welche Ziele müssen definiert werden, damit das Kind die Teilhabe-Einschränkungen überwinden kann? 4. Welche Handlungsziele müssen formuliert werden, um die Ziele zu erreichen? Die Bedarfserhebung betrifft die Art der Behinderung des Kindes. Zur Bedarfsdeckung ergeben sich aus den Teilhabe- und Handlungszielen die Aufgaben der Assistenz.
Der leistende Reha-Träger steuert und koordiniert die gesamte notwendige Hilfe in Zusammenarbeit mit dem Betroffenen. Er stellt den Bedarf „anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen“ (als „leistender Rehabilitationsträger“, § 14 SGB IX). Kommen Leistungen mehrerer Träger infrage organisiert der leistende Reha-Träger die Leistungsansprüche bei sich und bindet die anderen Träger mit ein (Teilhabeplan § 19 SGB IX).
Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern (in Vertretung für ihr Kind) muss immer entsprochen werden, so lange die Wünsche „berechtigt“ (§ 8 SGB IX:) und „angemessen“ (§ 104 SGB IX) sind. Was jeweils berechtigt bzw. angemessen ist, hat die Rechtsprechung mittlerweile weitgehend festgelegt.
„Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein“ (§ 37 VwVfg). Der „Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.“ (§ 39 VwVfG)
„Der Verwaltungsakt enthält mindestens die bewilligten Leistungen und die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen. Die Feststellungen über die Leistungen sind für den Erlass des Verwaltungsaktes bindend.“ (§ 120 SGB IX)
Mit dem Bescheid muss der Reha-Träger den Eltern auch den Gesamtplan zukommen lassen, aus dem Art und Umfang des Bedarfs sowie die Teilhabe- und Handlungsziele hervorgehen. (§ 121 Abs. 5 SGB IX)
„In einem Eilfall erbringt der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Kapiteln 3 bis 6 vor Beginn der Gesamtplankonferenz vorläufig; der Umfang der vorläufigen Gesamtleistung bestimmt sich nach pflichtgemäßem Ermessen.“ (§ 120 Abs. 4 SGB IX)
Sind die Eltern mit dem Inhalt des Bescheid nicht einverstanden, so können sie gegen ihn ganz oder in Teilen Widerspruch einlegen. Für den Widerspruch gibt es immer eine Frist, die durch die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid genannt ist. In der Regel sind das vier Wochen.
Ist ein Bescheid in seinem Inhalt unrichtig oder sachlich falsch, können die Eltern gegen diesen auch nach dem Ende der Widerspruchsfrist einen Überprüfungsantrag stellen. Sie beschreiben darin, welche konkreten Fehler sie gefunden haben und in welcher Form sie diesen geändert haben möchten. Meistens geht es um die Höhe der Stunden der Teilhabeassistenz im Unterricht, diese muss dem tatsächlichen Bedarf des Kindes entsprechen. Manchmal stimmen auch die Teilhabeziele nicht, so dass die Aufgaben für die Teilhabeassistenz nicht bedarfsdeckend festgelegt werden können.
Das Grundprinzip des sozialrechtlichen Leistungsdreieck besteht aus den drei Akteuren: Leistungsberechtigter – Leistungserbringer – Kostenträger. Der Kostenträger (Reha-Träger) bewilligt die Maßnahme. Der Leistungsberechtigter (Eltern für ihr Kind) sucht einen Leistungserbringer aus und beauftragt diesen. Der Leistungserbringer (Träger/Arbeitgeber Teilhabeassistenz) rechnet beim Kostenträger ab.
Die Schule steht außerhalb dieses Leistungsdreiecks. Dennoch ist sie verpflichtet mit den Eltern und dem Reha-Träger zu kooperieren. Sie liefert z.B. den Schulbericht mit dem Nachweis über (sonder)pädagogische Förderung des Kindes, die Förderplanung, die Klassengröße und -zusammensetzung etc. Es ist für alle von Vorteil, wenn die Schule von Anfang an bei der Erstellung des Gesamtplans (SGB IX)/Hilfeplans (SGB VIII) mitwirkt. Die Lehrkräfte kennen den Bedarf des Kindes in der Schule und können beschreiben, welche Unterstützung das Kind in den einzelnen Fächern und Bereichen braucht.
Die Eltern können für ihr Kind die Leistungen zur Teilhabe auch selbständig einkaufen und bezahlen. Sie treffen darüber eine Zielvereinbarung zusätzlich zur Gesamtplanung mit dem Reha-Träger über die Abwicklung der Leistung. Die Zielvereinbarung enthält mindestens mindestens Regelungen über die individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs, die Qualitätssicherung sowie die Höhe der Teil- und des Gesamtbudgets.
Damit können sie dann entweder selbst als Arbeitgeber eine Teilhabeassistenz einstellen und liefern dem Reha-Träger dazu einen Kostenvoranschlag über das Arbeitgeberbruttoegehalt, anfallende Kosten für Schulung und Vertretung sowie die grundlegende Verwaltung (Steuerberater). Oder sie vergeben die Leistung als Gesamtleistung selbst direkt an einen Träger ihrer Wahl.
Beim Gesamtplan/Hilfeplan müssen die Eltern mit ihren Wünsche angemessen berücksichtigt werden, sie gestalten den Prozess der Bedarfsklärung aktiv mit, indem sie ausführlich beschreiben für welche Aufgaben die Assistenz beim Kind eingesetzt werden muss, um diesem die Teilhabe an Bildung zu sichern. Die Lehrkräfte der Schule stehen beratend und begleitend zur Seite.
Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses liegt wiederum in der Verantwortung des Reha-Trägers, der die Leistungsberechtigten immer ausführlich beraten muss. Bereits im Bewilligungsverfahren müssen also alle Fachkräfte rund ums Kind gut zusammenarbeiten.
Bei Kindern mit Behinderungen muss die Schule in der Regel einen individuellen Förderplan erstellen, der die Maßnahmen und Ziele für die Förderung des Kindes im Unterricht festlegt. Hierbei ist es sinnvoll, auch die Teilhabeassistenz und ihre Aufgaben einzubeziehen und so durch die Aufgabenverteilung die notwendige Zusammenarbeit ALLER Beteiligten im Schulalltag abzusichern.
Nicht immer gewünscht seitens der Schule, aber sehr hilfreich ist der Einbezug der Teilhabeassistenz auch in das regelmäßige Förderplangespräch, das die Klassenlehrkraft (evtl. zusammen mit der Förderschullehrkraft) mit den Eltern führt. Nur durch regelmäßigen und guten Austausch zwischen allen Beteiligten entsteht eine nachhaltige Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team.t
Die Schule muss die Eltern immer umfassend informieren und beraten, so kann sie auch beim Einsatz der Teilhabeassistenz die Eltern gut begleiten. Sie kooperiert außerdem mit dem Leistungserbringer, liefert die angefragte Informationen (so wie z.B. auch die rechtzeitige Info über besonderen Bedarf bei Klassenausflügen oder Klassenfahrten).
Zu Beginn der Maßnahme empfiehlt sich ein gemeinsamer Runder Tisch mit allen Beteiligten zur Auftragsklärung, Leistungsberechtigte*r (Eltern für ihr Kind), Leistungserbringer (THA), Reha-Träger und Lehrkräfte verabreden, wie und in welcher Form der Einsatz der Teilhabeassistenz umgesetzt wird. Mit Protokoll können sie festhalten, wer welche Aufgaben übernimmt und wie man sich regelmäßig gemeinsam abstimmt.
Mit Blick auf die Aufgaben, die die Assistenz übernehmen soll, macht es keinen Unterschied, ob eine Fachkraft oder eine ungelernte Kraft eingesetzt wird. Die Aufgabenbeschreibung wurde durch die Sozialrechtsprechung festgelegt und geschieht in Abgrenzung zur Kernkompetenz der Lehrkräfte (= Wissensvermittlung, Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule). Die Assistenz muss sich für ihre Aufgabe „eignen“, d.h. sie bringt Empathie und Verständnis fürs Kind mit, ist bereit zur Kooperation und willens, sich bzgl. der Behinderungsform fortzubilden. Fachkräfte sind dann wichtig, wenn die besondere Ausprägung der Behinderung ein zusätzliches Fachwissen (pädagogisch, medizinisch, fachlich wie z.B. bei Unterstützter Kommunikation) erfordert.
Begleitung in Unterricht/Schulweg/Pausen/Klassenfahrten; Mittler zwischen Kind und Umwelt; Hilfe bei Gefahreneinschätzung
Hilfe bei Toilettengängen, An- und Ausziehen, medizinische Hilfsmaßnahmen, Nutzung von Hilfsmitteln
( ≠ Kernkompetenz Lehrkraft) Strukturierung des Arbeitsplatzes/des vom Lehrer vorgegebenen Materials, Wiederholung/Erklärung von Aufgaben, Rückführung aufs Thema/Konzentration etc.
Die Arbeitsinhalte und Aufgaben von Teilhabeassistenz und Lehrkräften lassen sich auf Basis der Rechtsprechung recht gut voneinander abgrenzen:
Dieser Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrkräfte beschränkt sich eng auf die Unterrichtsgestaltung selbst, d.h. die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte, die Bestimmung der Unterrichtsinhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung und die Bewertung der Schülerleistungen.
Die Teilhabeassistenz nimmt dagegen sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen wahr, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nichtpädagogische Maßnahmen. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert ("begleitet").
„Außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit ist eine (nachrangige) Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zu bejahen, solange und soweit der Schulträger seiner (ggf. durch Landesrecht begründeten) Pflicht zur Deckung der Bedarfe im Einzelfall nicht nachkommt (BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 24/15 R), auch wenn davon pädagogische Aufgaben mit umfasst sind.“ (BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 2/18 R)
Der individuelle Hilfebedarf ist daher nicht zu verwechseln mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf. Nicht richtig ist daher auch die Behauptung vieler Kommunen und Landkreise, sie müssten als „Ausfallbürgen“ für die fehlende Ausstattung der Schulen durch die Schulbehörde herhalten. Die Rechtsprechung betont auch, dass bei der Gewährung der Hilfe ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde liegt ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"). Die Hilfe bezieht sich immer direkt nur auf das Kind, normalerweise in einer 1:1 Betreuung. Eine solche Unterstützung ist im Schulrecht nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber hat diese Hilfe vielmehr ursprünglich als kommunale Pflichtaufgabe festgeschrieben.
Eine Teilhabeassistenz kann in Form der „Gemeinsamen Leistungserbringung“ auch für mehrere Kinder zuständig sein.
„Die in der Schule wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, soweit dies nach § 104 für die Leistungsberechtigten zumutbar ist.“ (§ 112 Abs. 4 SGB IX)
Hierbei müssen die übrigen Vorgaben des Sozialrechts auf der Basis des sozialrechtlichen Leistungsdreiecks dennoch zwingend beachtet werden. Der Bedarf und die Teilhabeziele mit der Aufgabenbeschreibung müssen für jedes Kind im Rahmen der Gesamtplanung einzeln festgestellt werden, um zu gewährleisten, dass jedes einzelne Kind auch bei Aufteilung der Assistenzkraft auf mehrere Kinder wirklich die Hilfe bekommt, die es benötigt.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die kommunalen Behörden selbst ein sogenanntes „Pool-Modell“ von mehreren zusätzlichen Assistenzen an der Schule einsetzen. Die Assistenz ist dann unabhängig vom einzelnen Kind für die Klasse und für die Lehrkraft als zusätzliche Unterstützung. Sie dient dazu, die Schule insgesamt so auszustatten, dass alle Schüler*innen, auch die mit Behinderungen, gut versorgt sind. Wenn allerdings ein Kind aufgrund seiner Behinderung trotzdem eine engmaschige Begleitung benötigt, können die Eltern diese zusätzlich für ihr Kind beantragen.
Nach Art. 7 GG liegt das Schulwesen in staatlicher Hand und die Bundesländer sind angehalten, die Schulpflicht in ihrem Bundesland zuverlässig für jedes Kind umzusetzen.
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Bildung. Dieses Recht wird durch ein Schulwesen gewährleistet …“ (§ 1 HschG)
Wenn also die Teilhabeassistenz für ein paar Tage ausfällt, darf die Schule das Kind nicht einfach nach Hause schicken, sie muss vielmehr eine Regelung finden, wie sie das Kind im Unterricht trotzdem unterstützen kann. Es hat sich bewährt, frühzeitig gemeinsam über eine Lösung im Einzelfall nachzudenken und mit Schule, Eltern und Leistungserbringer vorab eine Verabredung dazu zu treffen (s. Förderplan)..
Bei einem Ausfall der Teilhabeassistenz für mehrere Wochen muss der Leistungserbringer eine Vertretung ermöglichen. Diese Vertretungsregelung findet sich meist auch mittlerweile in den Leistungsvereinbarungen zwischen Leistungserbringer und Kostenträger (Reha-Träger).
Die ganztägigen Angebote in Hessen sind nach § 15 HSchG geregelt und gehören damit zur erweiterten schulischen Bildung. Ist das Kind beim pädagogischen Angebot der nachmittäglichen Betreuung angemeldet, ist seine Teilnahme verpflichtend. Damit ist auch die Hilfe zur Teilhabe an Bildung dort in der Regel notwendig.
Die Rechtsprechung sagt außerdem:
„Auch das Nachmittagsangebot in Form der Offenen Ganztagsschule (OGS) kann im Hinblick auf den konkreten Förderbedarf des behinderten Schülers eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung darstellen.“ (BSG vom 6.12.2018 - B 8 SO 4/17 R).
Die Entscheidung über die "angemessene Schulbildung" obliegt der Schulverwaltung (Unterstützung, Erleichterung oder Ergänzung der pädagogischen Arbeit). Die von der Schulverwaltung beschriebenen Förderbedarfe und Lernziele [Hessen: individuelle Förderplanung gem. § 5 VOSB] geben den Rahmen der "angemessenen Schulbildung" vor.
Das Angebot muss im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden. (§ 112 Abs. 2 SGB IX)
Für Unterricht, Schulzeit und alle schulischen Veranstaltungen gibt es folgende Regelungen zur Aufsichtspflicht:
„Die zur Aufsicht verpflichteten Personen können andere Personen (Hilfskräfte) zur Mithilfe heranziehen … Die Verantwortung der zur Aufsicht verpflichteten Personen für die Aufsichtsführung bleibt unberührt.“ (§ 3 Abs. 3)
„Auf dem Schulweg unterliegen minderjährige Schülerinnen und Schüler der Aufsicht der Eltern.“ (§ 11 Abs. 1)
Das bedeutet aber nicht, dass die Eltern verpflichtet wären, ihr Kind zu holen oder zu bringen. Der Schulweg ist nach § 161 HSchG Aufgabe des Schulträgers. .
Weder die Lehrkräfte, noch die Personen, die das Kind beaufsichtigen, haften persönlich. Die Ausnahme gilt nur in folgendem Fall:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ (§ 823 Abs. 1 BGB)
Für jede schulische Veranstaltung (Unterricht, Schulweg, pädagogisch Nachmittagsbetreuung, Klassenfahrten und Ausflüge) sind Lehrkräfte, Begleit- und Aufsichtspersonen sowie die Schüler*innen über die Landesunfallkasse Hessen versichert. Der Schadensfall wird über die jeweilige Schule (Schulsekretariat) abgerechnet.
Der Begriff der Behinderung wird in § 35a SGB VIII in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX definiert. Danach liegt eine seelische Behinderung dann vor, wenn:
Grundlage für die Einschränkungen der funktionalen Gesundheit bildet die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health, ICF) der WHO.
Der Jugendhilfeträger muss die Stellungnahme einer besonders beschriebenen Fachkraft einholen. Diese Fachkraft kann entweder
ein Arzt für Kinder- und Jugendpsychatrie und –psychotherapie sein,
oder
ein Arzt mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen,
oder
ein psychologischer Psychotherapeut mit solchen Erfahrungen,
oder
ein Kinder- und Jugendpsychotherapeut.
Auch der Gutachter muss gesetzliche Vorgaben erfüllen, indem ihm vorgeschrieben wird, dass er das Gutachten auf der Grundlage der ICD 10 in deutscher Fassung zu erstellen hat. Außerdem muss er darlegen, ob die Abweichung Krankheitswerte hat oder auf einer Krankheit beruht.
Er muss feststellen, ob die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Die Bestimmung des Behindertenbegriffs insgesamt fällt in den Verantwortungsbereich des Jugendhilfeträgers. Es ist deshalb eine Anmaßung, wenn der Arzt oder Psychologe das „Vorliegen einer seelischen Behinderung nach § 35a SGB VIII“ konstatieren. Das gilt auch für den Amtsarzt!
Welche Leistungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erbringen hat, ergibt sich aus der Verweisung in § 35a Abs. 3 SGB VIII auf § 112 SGB IX. Das heißt als Leistung der Eingliederungshilfe kann eine Teilhabeassistenz notwendig sein, es muss nicht zwingend eine pädagogische Fachkraft sein.
Um Leistungsverzögerungen durch die vorhandenen Schnittstellen auszugleichen, wurde mit § 14 SGB IX ein stringentes Verfahren zur Zuständigkeitsklärung eingeführt. Daran ist die Jugendbehörde gebunden, verzögert oder verschleppt sie das Antragsverfahren, handelt sie rechtswidrig.
F 0 Organische, einschließlich symptomatische psychische Störungen (seelische Störungen als Folge von Krankheiten und Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen). >>> Epilepsie
F 6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (insbes. dissoziale und emotional instabile Krankheitsbilder, die in der Regel erst im Jugendalter vorkommen)
Typisch: Missachtung aller sozialen Normen, Regeln und Verpflichtungen; geringe Frustrationstoleranz; Unfähigkeit, enge Beziehungen und Freundschaften einzugehen)
alle Persönlichkeitsstörungen sind mit erheblichen Beeinträchtigungen psychosozialer Funktionen verbunden
damit sind diese Jugendlichen grundsätzlich von einer seelischen Behinderung bedroht
vorrangiges Ziel der Eingliederungshilfe muss der Aufbau stabiler Beziehungen im Alltag sein F 8 Entwicklungsstörungen (sämtliche Entwicklungsstörungen nun zu den potentiell anspruchsbegründenden psychischen Behinderungen nach § 35a SGB VIII, sofern sie auch zu einer Teilhabebeeinträchtigung führen), vgl. insbesondere:
Legasthenie (F 81.0 und F 81.1)/Dyskalkulie (F 81.2)
umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache (F 80)
umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten (F 81)
F 9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend, vgl. insbesondere:
Die Selbstbeschaffung geht auch bei der Jugendhilfe, insbesondere dann, wenn der Bedarf erkannt ist, der Jugendhilfeträger die Leistung aber nicht erbringt.
Unter bestimmten Voraussetzungen können sich die Leistungsberechtigten aber eine notwendige Hilfe in Eigenregie beschaffen. Die entstandenen Kosten können sie sich nach den Regeln der Selbstbeschaffung vom Jugendhilfeträger erstatten lassen.
für die Selbstbeschaffung ist § 36a Abs. 3 SGB VIII.
Die Steuerungsverantwortung liegt beim Jugendamt. Ohne dessen vorherige Entscheidung können Leistungsberechtigte im Allgemeinen keine Leistungen in Anspruch nehmen.
Die sog. Selbstbeschaffung ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Steuerungsverantwortung des Jugendamts. Dabei decken Leistungsberechtigte ihren Hilfebedarf selbst und haben einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Jugendhilfeträger. Dieser Erstattungsanspruch ist nur gegeben, wenn der Jugendhilfeträger die Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat. Das Gesetz nennt 3 Voraussetzungen, unter denen ein Erstattungsanspruch besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte diese bereits in mehreren Urteilen herausgearbeitet.
Der Leistungsberechtigte muss den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf informieren. Erst dann kann er sich die Leistung selbst beschaffen. Ist das nicht möglich, muss es unverzüglich nachgeholt werden. So soll sichergestellt werden, dass der Träger überhaupt die Möglichkeit erhält, selbst zu entscheiden und nicht als bloße "Zahlstelle" missbraucht wird. Der Antrag bedarf keiner bestimmten Form. Das Bundesverwaltungsgericht betont aber, er müsse so rechtzeitig erfolgen, dass der Jugendhilfeträger die Anspruchsvoraussetzungen und die möglichen Hilfemaßnahmen pflichtgemäß prüfen kann.
Die Voraussetzungen für die konkrete Hilfeleistung müssen vorliegen. Die Kosten werden nur erstattet, wenn sicher ist, dass das Jugendamt die Hilfe auch gewähren muss. Andernfalls hätte dies der Leistungsberechtigte in der Hand.
Der Kostenerstattungsanspruch ist für Situationen gedacht, in denen schnell gehandelt werden muss. Bis zur Entscheidung des Jugendamts über die Leistung kann manchmal nicht gewartet werden. Auch in Fällen des Eilrechtsschutzes kommt die Entscheidung des Gerichts über eine zu Unrecht abgelehnte Leistung ggf. zu spät.
Die Frist, die man dem Jugendamt in der Regel setzt, sind 2 Wochen (die Fristen zur Bearbeitung von Anträgen stehen in § 14, SGB IX). Das Schreiben kann formlos sein.
Es sollte darin aber schon ausgeführt werden, woraus sich die Dringlichkeit ergibt z.B.:
Im Schreiben wird angekündigt, dass man sich numehr die Leistung über eine andere Trägerfirma selbst beschaffen und die Kosten dem Jugendamt in Rechnung stellen wird.
Je solider diese Aspekte schon im Schreiben ausführst, desto besser ist es auch im weiteren Gerichtsverfahren geeignet. Mit einem Gerichtsverfahren wird man in der Regel wohl rechnen müssen, da die Ämter erfahrungsgemäß trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht "freiwillig" zahlen.
In der Regel ist es zudem empfehlenswert, über die Anwältin einen Antrag auf einstweilige Anordnung vorzubereiten, um nicht jahrelang die Kosten vorstrecken zu müssen. Die Hinzuziehung eines Anwaltes ist in Wiesbaden unabdingbar, denn die Stadt reagiert überhaupt erst, wenn der Anwalt eingeschaltet ist.
Der 2003 geborene Kläger leidet an frühkindlichem Autismus in Verbindung mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer Störung des Sozialverhaltens, die sich in ausgeprägten stereotypen und ritualisierten Verhaltensmustern sowie hoher Impulsivität mit regelmäßigen Kontrollverlusten äußert. Entsprechend der Zuweisung der Schulaufsichtsbehörde besucht er ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit werde durch die Maßnahme nicht berührt. Die Schulbegleiterinnen hätten ausschließlich integrierende, beaufsichtigende und fördernde Assistenzdienste erbracht. Auch im Bereich der Anpassung des Unterrichts in der Klasse an die speziellen Bedürfnisse des Klägers und die inhaltliche Begleitung des Unterrichtsgeschehens hätten die Unterstützungsleistungen nur darin bestanden, die Aufmerksamkeit des Klägers auf die gerade zu erledigende Aufgabe zu lenken und Arbeitsunterlagen entsprechend dem auf ihn angepassten Lernziel zu benutzen. Dass für die Erfüllung dieser Aufgaben pädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten angewandt worden seien, z.B. in den Phasen, in denen der Kläger mit der Schulbegleitung in einem separaten Raum die dort von den Lehrern vorbereiteten Aufgaben bearbeitete, sei qualitativ für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe ohne Bedeutung.
Bei der Gewährung der Hilfe liegt ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde ("nach der Besonderheit des Einzelfalles").
Der Kläger hatte im Schuljahr 2014/2015 einen Anspruch auf Schulbegleitung im Umfang von mehr als 13 Stunden. Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dies ist hier der Fall. Es kommen grundsätzlich ALLE Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern.
Die Bestimmung des Kernbereichs pädagogischer Arbeit gilt gleichermaßen für Regelschulen wie für Schulen mit besonderem Förderschwerpunkt:
Dieser Kernbereich, der nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers liegt (BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 8/15 R), bestimmt sich schon aus systematischen Gründen nach Maßgabe des Sozialhilferechts und beschränkt sich eng auf die Unterrichtsgestaltung selbst, d.h. die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte, die Bestimmung der Unterrichtsinhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung und die Bewertung der Schülerleistungen. Dies ist den Lehrkräften vorbehalten.
Der Leistungspflicht im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unterfallen dagegen sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nichtpädagogische Maßnahmen.
Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert ("begleitet"). Ihn berühren deshalb alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden Assistenzdienste nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann. Eine landesrechtlich abweichende Abgrenzung des Kernbereichs der schulischen Bildung bindet bei der Auslegung, welche Leistungen in Auslegung des bundesrechtlich geregelten Begriffs der Eingliederungshilfe zur angemessenen schulischen Ausbildung gehören, nicht.
Außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit ist eine (nachrangige) Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zu bejahen, solange und soweit der Schulträger seiner (ggf. durch Landesrecht begründeten) Pflicht zur Deckung der Bedarfe im Einzelfall nicht nachkommt (BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 24/15 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 16, RdNr 20), auch wenn davon pädagogische Aufgaben mit umfasst sind.
Der Eingliederungshilfeträger hat nebst den bereits bewilligten Leistungen (Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers in Einzelbesetzung) auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines zweiten Gebärdensprachdolmetschers (Doppelbesetzung) in den Pflichtunterrichtsstunden des Klägers inklusive der kleinen Pausen und mit Ausnahme der Unterrichtsstunden in den Fächern Sport, Kunst und Informatik sowie der Unterrichtsstunden mit Klassenarbeiten in gleicher Höhe (75 EUR pro Stunde) zu bewilligen.
Der Besuch einer weiterführenden Regelschule im Rahmen des Gemeinsamen Lernens bringe gegenüber der Grundschule derart gesteigerte Anforderungen mit sich, dass nunmehr der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern in Doppelbesetzung erforderlich werde. Der Senat stimmt auch der vom Sozialgericht vorgenommenen Konkretisierung des Teilhabeziels als gleichberechtigte Teilnahme am Unterricht zu, die dem Kläger dieselben Chancen auf Schulbildung wie seinen nichtbehinderten Mitschülerinnen und Mitschülern gewährt. Zur Erlangung dieses Bildungsziels ist der Einsatz von Gebärdendolmetschern im Unterricht in Doppelbesetzung während der Unterrichtsstunden in allen wesentlichen Fächern mit Ausnahme von Sport, Kunst, Informatik und der Klassenarbeiten einschließlich der 5-Minuten-Pausen zur Erreichung der Eingliederungsziele geeignet und der Sache nach - auch in quantitativer Hinsicht - erforderlich.
Hilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles:
Die Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe verlangt eine am Einzelfall orientierte, individuelle Beurteilung, ein individualisiertes Förderverständnis (BSG in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 06.12.2018 - B 8 SO 4/17 R -, juris Rn. 17; Urt. v. 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R -, juris Rn. 21; Urt. v. 29.09.2009 - B 8 SO 19/08 R -, juris Rn. 22), das einer Kategorisierung der in Betracht kommenden Hilfen bzw. Maßnahmen nach abstrakt-generellen Kriterien entgegen steht. Da sich eine Beurteilung der erforderlichen Hilfe anhand eines abstrakt-generellen Maßstabs verbietet, ist es unerheblich, dass es derzeit weder hinreichende Forschungen noch definierte Qualitätsstandards für Gebärdensprachdolmetschen im Unterricht (Setting Schule) gibt, auch wenn diese für eine erfolgreiche Umsetzung der Idee des Gemeinsamen bzw. inklusiven Unterrichts sinnvoll wären. Denn die erforderliche Einzelfallprüfung anhand der individuellen Verhältnisse könnte auch durch diese nicht ersetzt werden.
Auch ein außerunterrichtliches schulisches Nachmittagsangebot in Form der Offenen Ganztagsschule (OGS) kann je nach seiner konkreten Ausgestaltung im Hinblick auf den konkreten Förderbedarf des behinderten Schülers eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung darstellen, wenn es geeignet und erforderlich ist, den jeweiligen individuellen Eingliederungszweck entsprechend der jeweils von der Schulverwaltung festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfe zu erreichen und damit dem behinderten Schüler den Schulbesuch zu erleichtern.
Die Entscheidung darüber, was für das einzelne Kind die "angemessene Schulbildung" darstellt, obliegt der Schulverwaltung.
Die von der Schulverwaltung beschriebenen Förderbedarfe und Lernziele geben den Rahmen der "angemessenen Schulbildung" für das jeweilige behinderte Kind vor, nicht die für nicht behinderte Kinder im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung; zu Grunde zu legen sind im Wege eines individualisierten Förderverständnisses die individuellen körperlichen und geistigen Verhältnisse des behinderten Menschen.
Es gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung entgegensteht.
Geprüft werden muss, wie sich die vorhandenen Beeinträchtigungen auf den Schulbesuch auswirken; Ziel ist es, die Basis für jegliche weitere Bildungslaufbahn möglichst erfolgreich zu gestalten.
Die von der Schulverwaltung beschriebenen Förderbedarfe und Lernziele [Hessen: individuelle Förderplanung gem. § 5 VOSB!] geben den Rahmen vor. Im individuellen Förderplan ist also festzuhalten, was in der offenen Ganztagsbetreuung für das jeweilige Kind erarbeitet werden muss und welche Ziele mit der Ganztagsbetreuung für dieses Kind verfolgt werden. Maßgebend für die Abgrenzung der Hilfen zur angemessenen Schulbildung und der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind die mit der OGS verfolgten Ziele. Dient die OGS insbesondere der Unterstützung, Erleichterung oder Ergänzung der pädagogischen Arbeit, ist auch die hierfür erforderliche Integrationshilfe eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung.
Für ein behindertes Kind kann die Teilnahme an den einzelnen Angeboten einer OGS eine andere Bedeutung haben, als für ein nicht behindertes Kind. Dient die individuelle Förderung im Offenen Ganztag der Lern- und Entwicklungsförderung, ist sie dem Zweck nach „Hilfe zur angemessenen Schulbildung“. Ein von Schulleitung und Träger gemeinsam erstelltes pädagogisches Konzept, das darauf ausgerichtet ist, auch nachmittags im Sinne einer ganzheitlichen Bildungsförderung einen positiven Einfluss auf den Schulerfolg zu erreichen.
Das Angebot muss im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden.
Der zuständige Sozialhilfeträger muss die Kosten für einen Schulbegleiters unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Eingliederungshilfe übernehmen. Die Klägerin kann als wesentlich geistig behindertes Kind aufgrund der Behinderung ohne zusätzliche Unterstützung durch einen solchen Begleiter die individuell auf seine Fähigkeit und Fertigkeiten abgestimmten Lerninhalte nicht verarbeiten und umsetzen; dies hat unterstützende Leistungen einer Schulbegleitung erforderlich gemacht. Bei diesen Unterstützungsmaßnahmen handelte es sich nicht um den Kernbereich allgemeiner Schulbildung, für den allein die Schulbehörden die Leistungszuständigkeit besitzen. Im Rahmen des Nachrangs der Sozialhilfe außerhalb des Kernbereichs ist lediglich Voraussetzung, dass eine notwendige Schulbegleitung tatsächlich von anderen nicht übernommen bzw. getragen wird.
Das Sozialgericht Lübeck hat nun ebenfalls entschieden, dass die Kreise die Schulbegleitung bedarfsdeckend bewilligen und bezahlen müssen. Das bestätigte ein Verfahren, das die Eltern eines Kindes mit Behinderung aus dem Kreis Stormarn auf Anraten der Bürgerbeauftragten betrieben hatten. Das Gericht entschied, allein die Tatsache, dass ein Unterstützungsbedarf in den pädagogischen Kernbereich fällt, könne nicht dazu führen, dass der Kreis von seiner Leistungspflicht befreit ist. Vielmehr kommt es auf die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort an. Nur, wenn der Unterstützungsbedarf faktisch bereits vollumfänglich anderweitig gedeckt wird, kann sich der Kreis seiner Leistungspflicht entziehen. Praktisch bedeutet das: Solange und soweit nicht die Schulassistenten die Unterstützungsleistungen übernehmen, bleibt die Eingliederungshilfe weiterhin zuständig.
Schulbezogene Maßnahmen der Eingliederungshilfe erstrecken sich regelmäßig auf das gesamte laufende Schuljahr. Ist eine Regelbeschulung des Jugendlichen aufgrund seiner aus der Autismus-Störung resultierenden mangelnden psychosozialen Anpassungsmöglichkeiten selbst mit Unterstützung durch einen Einzelfallhelfer nicht möglich, kann die Übernahme der Kosten für die Web-Individualschule die gegenwärtig einzig geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme sein, um eine angemessene Schulbildung des Kindes/Jugendlichen zu ermöglichen. Diese Maßnahme fällt somit unter den genannten Bedingungen in die Finanzierungzuständigkeit der Eingliederungshilfe.
Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass der Sozialhilfeträger die Kosten für die erforderliche Schulbegleitung einer Grundschülerin mit Down-Syndrom bei Besuch einer Regelgrundschule mit inklusiver Beschulung im Rahmen der Eingliederungshilfe zu tragen hat, wenn sich die Schulbegleitung auf unterstützende Tätigkeiten beschränkt. Die Klägerin wechselte nach zweijährigem Besuch einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung auf eine Regelgrundschule. Dort wurde sie im Rahmen einer inklusiven Beschulung fünf Stunden wöchentlich von einer Kooperationslehrerin ihrer ursprünglichen Schule betreut. Nachdem es der Klägerin zunehmend schwerer fiel, den Lerninhalten zu folgen, wurde sie im Schuljahr 2012/2013 während des Unterrichts zusätzlich von qualifizierten Schulbegleiterinnen betreut. Der beklagte Landkreis hat die Kostenübernahme dafür abgelehnt. Es gehe um den Kernbereich der pädagogischen Arbeit, weshalb das Land als Träger der Schulverwaltung in der Pflicht stehe. Der sonderpädagogische Bedarf werde durch die fünf Sonderschullehrer-Stunden nicht gedeckt. Wenn die Schule es im Rahmen eines finanziell vertretbaren Rahmens nicht ermöglichen könne, die Verhältnisse so auszugestalten, dass dem behinderten Kind möglich sei, dem gemeinsamen Bildungsgang an der Regelschule zu folgen, müsse das Kind die Sonderschule besuchen.
Das LSG Stuttgart hat die Entscheidung des SG Reutlingen, das den Landkreis zur Leistung verurteilt hatte, bestätigt.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist der Sozialhilfeträger an die Entscheidungen der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht eines behinderten Kindes in einer Schule bzw. über eine bestimmte Schulart gebunden und habe das Wahlrecht der Eltern zu beachten. Deshalb sei er mit dem Einwand ausgeschlossen, dass eine bei Besuch einer Regelschule erforderliche Schulbegleitung bei Besuch einer Sonder- bzw. Förderschule entbehrlich sei. Den Kernbereich der Schule sah das Landessozialgericht durch die für die Klägerin erforderlichen Hilfen nicht als betroffen an, weshalb der Landkreis als für die Gewährung von Eingliederungshilfe zuständiger Träger leistungspflichtig sei. Die Schulbegleiterinnen hätten gerade keine Lehrinhalte vermittelt, sondern lediglich unterrichtsbegleitende unterstützende Leistungen erbracht, wie eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Unterrichtsgeschehen, die Verdeutlichung von Aufgabenstellungen, Unterstützung bei der Auswahl der richtigen Bücher und Hefte und kommunikative Hilfestellungen. Damit hätten sie keine sonderpädagogischen Aufgaben wahrgenommen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Quelle: www.juris.de)
Die Kommunen müssen die Teilhabeassistenz für Kinder im gemeinsamen Unterricht finanzieren. Einem verhaltensauffälligen Schüler steht ein Integrationshelfer zu. Nachdem das Sozialgericht Düsseldorf in erster Instanz abgelehnt hatte, entschied der 9. Senat des Landessozialgerichts NRW in einem Eilverfahren, daß der Kreis verpflichtet ist, auch für Maßnahmen aufzukommen, die eigentlich zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehörten.
Lediglich Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzurechnen seien, wie die Erteilung des Unterrichts selbst, seien von dieser Leistungspflicht ausgenommen. Die Unterstützung eines behinderten Schülers durch einen Integrationshelfer gehöre jedoch nicht zum pädagogischen Kernbereich.
Der Senat hat betont, dass eigentlich dem Land die Gewährleistungsfunktion für einen funktionierenden Schulbetrieb obliege. Aufgrund organisatorischer Mängel und einer unzureichenden Personalausstattung der Schulen bestünde hier die Gefahr, dass die finanziellen Belastungen den Kreisen und Gemeinden als Träger der Sozial- und Jugendhilfe aufgebürdet werden.
Diese in erster Linie politische Problematik könne jedoch im Rahmen eines Eilverfahrens nicht zu Lasten der behinderten Kinder und Jugendlichen gehen.
Der Antraggegner wird vorläufig verpflichtet die Kosten für einen Integrationshelfer in gesetzlicher Höhe zu übernehmen. Der Antraggegner hat der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Antragstellerin gehört unstreitig zum berechtigten Personenkreis. Beim Besuch der Sophie-Scholl-Schule handelt es sich um eine angemessene Beschulung. Entgegen der Auffasung des Antragsgegners kommt es nicht darauf an, dass die Sophie-Scholl-Schule mit ihrer personellen Grundausstattung angeblich in der Lage sei, die Individualbetreuung sicherzustellen. Eine Leistungspflicht seitens des Sozialhilfeträgers ist stets zu bejahen, solange die Schule außerhalb des Kernbereiches der pädagogischen Arbeit eine solche Hilfe nicht gewährt. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich.
Die begehrte Eingliederungshilfe, die Kostenübernahme für einen Gebärdendolmetscher zur Durchführung der inklusiven Beschulung in Höhe von durchschnittlich 400,00 € pro Tag, ist zur Erreichung des Teilhabeziels geeignet und erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2008 – B 11b AS 19/07 R). Der besondere Förderbedarf des Antragstellers im Bereich Hören ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Im Zuge des Besuchs der Integrativen Schule KJ. im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht ist ein Integrationshelfer im Sinne eines Gebärdendolmetschers auch erforderlich. Der Antragsteller nimmt unter simultaner Übersetzung durch den Gebärdendolmetscher unmittelbar am (Regel-) Unterricht teil (Stellungnahme der Schule vom 15. April 2013, Bl. 147 der Gerichtsakte).
Der Besuch einer öffentlichen Förderschule ist keine für den Antragsteller zumutbare Alternative. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bedarf des Antragstellers durch einen Wechsel auf eine öffentliche Förderschule gedeckt werden könnte. Ein Verweis des Antragstellers auf die Möglichkeit des Besuchs einer anderen Schulform (hier auf eine öffentliche Förderschule) widerspricht dem Kerngedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Schulgesetz (HSchG), der eine regelmäßige Beschulung behinderter Menschen in der allgemeinen Schule als inklusive Beschulung vorsieht. Dieser Regelungszweck darf nicht mittelbar durch den Nachranggrundsatz des Sozialhilferechts unterlaufen werden, zumal die schulrechtliche Regelung letztlich auf das Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008 zurückgeht, also in innerstaatliches einfaches Bundesrecht transformiertes Völkerrecht (Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention). Vielmehr hat das Sozialrecht die schulrechtliche Wertung hinzunehmen und bei der Leistungsgewährung zu beachten.
Ein Anspruch auf eine Integrationsbegleitung kann sich nach § 54 Abs. 1 SGB XII für ein geistig behindertes Kind auch dann im Rahmen einer inkludierenden Beschulung in einer Regelschule ergeben, wenn dabei pädagogische Aufgaben übernommen werden, die der Schulträger nicht erbringt. Entscheidend ist, dass die Hilfeleistung nicht ausschließlich oder weit überwiegend den Kernbereich der pädagogischen Arbeit des Lehrers/der Lehrerin umfasst.
Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Hilfe zu angemessener Schulbildung) umfasst ggf. auch die Übernahme von Kosten für eine Fachkraft während des Schulunterrichts und in den Ferienzeiten sowie die Schülerbeförderung
Kurzbeschreibung:
Der Kläger leidet an einem frühkindlichen Autismus, einer Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen und einer psychomotorischen Retardierung. Er bedarf deswegen und wegen fehlender expressiver Sprache und teilweise selbst- und fremdgefährdenden Verhaltens einer besonderen und intensiven Förderung, Betreuung und Begleitung. Der beklagte Sozialleistungsträger übernahm im Rahmen der Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung die Kosten für eine Schulbegleitung durch eine qualifizierte Person während der Schulzeiten, lehnte aber die Übernahme weiterer Aufwendungen für eine zusätzliche pädagogische Fachkraft während des Unterrichts und in den Ferienzeiten ab. Der zusätzliche Antrag des Kläger auf Sicherstellung seiner Schülerbeförderung nebst Begleitperson wurde von der Beklagten nicht beschieden.
Die 1. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe hat durch Urteil vom 26.07.2012 (S 1 SO 580/12) der Klage insoweit im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und mehrerer Landessozialgerichts außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule nicht ausgeschlossen. Sie bestehe für zumindest unterstützende pädagogische Maßnahmen regelmäßig auch dann, solange und soweit die Schule eine entsprechende Hilfe nicht gewähre oder - wie im zu entscheidenden Fall - darauf verweise, sie nicht erbringen zu können, und deshalb der Eingliederungsbedarf des behinderten Menschen tatsächlich nicht durch die Schule gedeckt werde. Ob die Schule dazu verpflichtet sei, sei unerheblich. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule sei gerade für ein autistisches Kind mit hohen Anforderungen verbunden. Der autistische Kläger benötige im Schulunterricht aufgrund seiner spezifische Lernbesonderheiten wie auch der Anforderungen an das Kommunikations- und Interaktionstraining besondere pädagogische Hilfestellungen, um bereits erzielte Therapieerfolge nicht zu gefährden und weitere Fortschritte zu erzielen und damit seine Integration in den Schulalltag zu ermöglichen. Die an der Schule tätige Sonderschulpädagogin könne diese Hilfestellungen nach den glaubhaften Angaben der Schule schon aus Zeitgründen nicht erbringen, sondern nur beratend tätig sein.
Außerdem habe der Kläger Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für eine pädagogische Fachkraft auch während der Ferienzeiten, weil andernfalls die ernsthafte Gefahr bestehe, dass im Schulunterricht erlernte Fähigkeiten wieder verloren gingen und die Familie diesen Bedarf mit Blick auf zwei Geschwisterkinder nicht bewerkstelligen könne.
Weiter hat die Kammer die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Übernahme der Aufwendungen seiner Schülerbeförderung nebst Begleitperson unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Sie hat dabei u.a.darauf hingewiesen, dass die Hilfeleistungen zu einer angemessenen Schulbildung auch die Schülerbeförderung umfassen. Sofern keine andere Art der Schülerbeförderung in Betracht komme, habe der Hilfeträger den Bedarf des behinderten Menschen ggf. durch Übernahme der für die täglichen Fahrten zur und von der Schule anfallenden Kosten für eine individuelle Beförderung mit einem PKW oder einem Taxi zu decken.
kein Leistungsausschluss wegen Zuständigkeit der Schulverwaltung
nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.
§ 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO liegt ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stehen mithin grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen.
Die durchgeführte Therapie weist den Charakter einer nur unterstützenden und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindenden Hilfe auf. Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule ist deshalb in aller Regel zu bejahen, solange und soweit die Schule - wie hier - eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, ja sogar darauf verweist, sie nicht erbringen zu können. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich.
Neue rechtliche Perspektiven für Schüler mit Förderbedarf in ganz Deutschland: Das Gericht hat die Teilnahme an der Ganztagsbetreuung als Teil einer "angemessenen Bildung" definiert! Damit wären Maßnahmen der Eingliederungshilfe in der OGS nicht mehr ein Freizeitvergnügen, sprich: einkommensabhängig, sondern genau so von den Ämtern zu bezahlen wie für die Unterrichtszeit." (Quelle: http://www.eine-schule-fuer-alle.info/politik/koeln/schulhelferurteil/, Zugriff: 06.01.2011)
"Das Sozialgericht Köln verkündete am 21.09.2011, dass einem Schüler auch für die Teilnahme an der Offenen Ganztagsschule ein Schulhelfer zu finanzieren sei. Dieser Ansicht schloss sich das Sozialgericht Düsseldorf mit Urteil vom 31.10.2012 Az.: S 17 S0 220/11 an. Die Gerichte haben festgestellt, dass auch die Teilnahme an der Ganztagsbetreuung als Teil einer "angemessenen Bildung" definiert werden kann. Nach § 53 SGB XII sind damit diese Betreuungen von der Eingliederungshilfe zu leisten." (RAin Inka Schmidtchen Justiziarin VBE NRW, aus: Zeitschrift des Verbandes Bildung und Erziehung, Heft 5/2013)
§ 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom Sozialhilfeträger zu leistenden Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den nichtpädagogischen Bereich begrenzt sind. Bei der Auslegung der Vorschrift ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu beachten, in denen sich die Vertragsstaaten verpflichten, den Zugang zu einem integrativen hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen sicherzustellen.
Der Sozialhilfeträger hat die auf dem schulrechtlichen Wahlrecht beruhende Entscheidung der Eltern für eine inkludierende Beschulung zu respektieren . Die Aufnahme in eine Sonderschule kann weder unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit noch des Nachranggrundsatzes oder des Mehrkostenvorbehalts verlangt werden, soweit das Kind aus schulrechtlicher Sicht in der Regelschule angemessen beschult wird. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 26.10.2007 in zwei Verfahren darüber entschieden, dass die Stadt Chemnitz verpflichtet ist, die Kosten eines Integrationshelfers für ein schulpflichtiges behindertes Kind - hier: für die integrative Unterrichtung an einer Montessori-Grundschule bzw. an einer Montessori-Mittelschule - zu übernehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits früher ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers für den Besuch einer integrativ unterrichtenden Grundschule, der das Kind schulrechtlich zugewiesen ist, besteht, obwohl solche Kosten sonst nicht angefallen wären. In den vorliegenden Verfahren war nunmehr weitergehend zu klären, ob individuelle Integrationshilfekosten auch dann zu übernehmen sind, wenn schulrechtlich Wahlfreiheit besteht und diese Kosten beim Besuch einer Förderschule nicht anfielen.